Bevor Sie weitere Entscheidungen bzgl. Ihrer Entschuldung/möglichen Insolvenz treffen, sollten Sie zunächst Ihre Finanzen kennen und die möglichen Kosten, Vor-und Nachteile der unterschiedlichen Alternativen abwägen.
Es ist lobens- und bemerkenswert, wenn in der Vergangenheit mit unendlicher Kraft am Schuldenabbau gearbeitet wurde – umso ärgerlicher wäre es, wenn ohne eine detaillierte Aufstellung weiterhin die Gefahr bestünde, dass Forderungssummen weiter ansteigen und die Gläubiger Vollstreckungsmaßnahmen einleiten. Der Fokus liegt in der Zukunft!
Achtung: Betrüger sind oft schwer zu erkennen. Bitte äußerste Vorsicht bei Angeboten (meist von Schuldnerhilfeorganisationen) im Internet, die eine „professionelle Schuldenhilfe mit Komplettservice“ zur Vermeidung von Insolvenzen anbieten. Hier wird zunächst eine kostenfreie und unverbindliche Analyse angeboten, umfasst das Aushandeln von Vergleichen sowie die Herbeiführung einer Einigung zum Schuldenverzicht oder zur Zahlung von Raten. Die Vereinbarung läuft zumeist bis 2 Jahre problemlos und die Gläubiger werden von der monatlich gezahlten Rate an den Rechtsanwalt bedient. Manchmal passiert aber Folgendes: Im 3. Jahr werden diese Zahlungen plötzlich nicht mehr weitergeleitet, die Banken bzw. Gläubiger stellen den Kredit fällig und die zuvor ausgehandelte Ratenzahlungsvereinbarung ist hinfällig.
Alle Banken neigen dazu, pünktlich kurz vor den Zahlungseingängen den Dispo zu kündigen und/oder das Konto zu sperren. Im ersten Schritt sollte also der Aufbau einer neuen Bankverbindung bei einer Bank erfolgen, mit der bislang noch keine Geschäftsbeziehung bestand. Geschäftspartner und Kunden müssen umgehend über die geänderten Bankdaten informiert werden.Bitte keinesfalls den Konto-Umzugsservice benutzen; es soll ja keiner die neue Bankverbindung kennen. Keinesfalls Gläubiger von diesem neuen Konto bedienen! So sichern Sie die laufenden Einnahmen ab, verhindern zunächst erneute Pfändungen und können laufende Kosten wie Strom, Miete und Lebenshaltungskosten bestreiten. Nach Eröffnung der neuen Bankverbindung dieses Konto sofort in ein P-Konto umwandeln und, sobald die Pfändung vorliegt, auch den Antrag auf Erhöhung des Pfändungsfreibetrages nicht vergessen, damit die Sozialversicherungsbeiträge und Betriebskosten weiterhin gezahlt werden können.
Achtung: ein P-Konto kann nicht für eine juristische Person, sondern nur für einen Einzelunternehmer beantragt werden. Existiert also zusätzlich ein Privatkonto kann dieses vollumfänglich gepfändet werden. Sollte das Finanzamt Ihr Konto gepfändet haben, können Sie bei diesem einen Antrag auf Freigabe der Betriebskosten stellen.
Sollte zwischenzeitlich ein Gerichtsvollzieher die Abgabe der Vermögensauskunft (VA; früher eidesstattliche Versicherung) fordern, müssen alle Konten zwingend angegeben werden – nach der VA kann jedoch durchaus ein weiteres Konto mit demselben Ablauf wie oben beschrieben eröffnet werden.
Für den Versuch einer Gläubigerverhandlung oder der direkten Durchführung der Regelinsolvenz sollten möglichst Rücklagen gebildet werden:
- Bei der Gläubigerverhandlung kann ggf. die Zahlungsaussetzung, eine niedrigere Rate und/oder ein Teilerlass der Schuldsumme erwirkt werden
- Bei Eröffnung des Regelinsolvenzverfahrens zieht ein Insolvenzverwalter jegliches Vermögen sofort zur Masse und die Lebenshaltungskosten können nicht mehr bestritten werden. Bis im Verfahren alles geregelt ist dauert es mindestens 6 Wochen. Sie sollten also Vorsorge für Miete und Essen für 2 Monate treffen.
Bitte überweisen Sie kein Geld vom Geschäfts- oder Privatkonto an vertraute Personen! Stellt ein Dritter (Angehörige oder Freunde) einem Schuldner ein Konto zur Verfügung und ist das dort eingezahlte Guthaben durch Auszahlung an den Schuldner nicht mehr vorhanden, dann ist der Kontoinhaber zum Ersatz des Wertes verpflichtet. Denn die Aufforderung an den eigenen Schuldner, auf ein fremdes Konto zu zahlen, wertet der Bundesfinanzhof als eine anfechtbare Rechtshandlung. Daraus folgt, dass der formelle Kontoinhaber als Anfechtungsgegner das herauszugeben hat, was auf das Konto gelangt ist. Hinzu kommt, dass eine solche Umleitung von Leistungen eine Vereitelung der Zwangsvollstreckung gem. § 288 Abs. 1 StGB und damit strafbar sein kann. Ist derjenige, der das Konto zur Verfügung stellt, in die Umstände eingeweiht, leistet er Beihilfe und macht sich damit ebenfalls strafbar (BFH Urteil vom 25.4.2017, VII R 31/15).
Rechtshandlungen, die also vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen wurden und die Insolvenzgläubiger benachteiligen, kann der Insolvenzverwalter nach Maßgabe der §§ 130 bis 146 InsO anfechten. Je kürzer die Handlung vor Eröffnung der Privatinsolvenz liegt, umso einfacher gestaltet sich die Anfechtung für den Insolvenzverwalter. Bargeschäfte hingegen können bei erbrachten Leistungen vorgenommen werden.
Nachdem die Vermögenswerte gesichert sind und die neue Kontoverbindung aktiv ist, lassen Sie sich nicht von einzelnen Gläubigern bedrängen und beenden Sie alle Zahlungen an die Insolvenzgläubiger, die nicht dem unmittelbaren Überleben dienen. Oberste Priorität zur Existenzsicherung haben Mietzahlungen, Stromversorger, Lebensmittel, Telekommunikation und Mobilität. Nach Eröffnung der Insolvenz herrscht nach §89 InsO das Vollstreckungsverbot. Droht in der Zwischenzeit einer der Gläubiger mit Zwangsmaßnahmen, könnte folgendes Schreiben an den Gläubiger geschickt werden:
Aufgrund von (Scheidung, Trennung, Krankheit, gescheiterter Selbstständigkeit, Lieferant ist mit Anzahlung verschollen, Betruges usw.) bin ich unverschuldet in eine finanzielle Schieflage geraten und derzeit nicht in der Lage die o.g. Forderung zu begleichen / die vereinbarte Ratenzahlung weiter aufrecht zu erhalten. (Handelt es sich bei dem Gläubiger um ein Kreditinstitut, welches bei Abschluß des Kreditvertrages ein weiteres Finanzprodukt (illegales Kopplungsgeschäft) wie Restschuld- oder Lebensversicherung zur Bedingung gemacht hat: Ich muss Sie daher bitten, die für diesen Fall abgeschlossene Versicherung in Anspruch zu nehmen.) Ich schlage vor, diese finanzielle Forderungsangelegenheit keinem externen Inkassounternehmen zu übertragen. Mit diesem frist- und formgerechten Anschreiben haben Sie Kenntnis von meiner Zahlungsunfähigkeit erhalten. Die außergerichtliche Beauftragung eines Inkassounternehmens wird keinen Erfolg bringen und nur unnötige und vermeidbare Kosten verursachen, die im Sinne von §§ 788, 91 ZPO von Ihnen zu tragen wären. In diesem kausalen Zusammenhang weise ich ausdrücklich und in aller Form auf Ihre Kostenminderungspflichten (§ 254 BGB) meiner Person gegenüber hin. Für die Dauer des außergerichtlichen Einigungsverfahrens bitte ich daher auf etwaige Zwangsvollstreckungsmaßnahmen zu verzichten und die Forderung vorläufig zu stunden.
Nun ist es an der Zeit, sich Gedanken um die Zukunft zu machen: soll das Unternehmen trotz Insolvenz weitergeführt werden, oder fällt die Entscheidung zugunsten einer Auffanggesellschaft?
Laufender Geschäftsbetrieb und Insolvenz
Sollten Sie die Gläubiger mit der Fortführungsprognose nicht zum Einlenken bewegen können, bleibt die Möglichkeit, mit einer Fortbestehensprognose den Insolvenzverwalter von der Freigabe des Unternehmens aus der Insolvenzmasse zu überzeugen. Bei einer positiven Prognose wird der Insolvenzverwalter die Freigabe aus der Insolvenzmasse aller Voraussicht nach erteilen. In diesem Fall ist für den Zeitraum der Insolvenz bzw. während der Wohlverhaltensphase ein festgelegter Betrag an den Insolvenzverwalter zu entrichten. Dieser richtet sich danach, was Sie als Angestellter in der jeweiligen Branche „fiktiv“ verdienen würden. Hierbei kommen dem Insolvenzverwalter möglicherweise hohe monatliche Beträge zu – völlig unabhängig davon, was das Unternehmen tatsächlich abwirft. Neue Schulden des Betriebes fallen nicht unter die Restschuldbefreiung und eine erneute Insolvenz mit Restschuldbefreiung ist frühestens in 10 Jahren wieder möglich. Vorteil ist, dass bei einem hohen Geschäftsertrag der Überschuss nicht in die Insolvenzmasse fließt – Nachteil ist ein immens hohes Risiko, wenn das Unternehmen nicht die erwarteten Gewinne abwirft.
Achtung: Sollte auf die Freigabe gehofft werden besteht immer das Risiko, dass der Insolvenzverwalter das Unternehmen im Rahmen der Insolvenzverwaltung weiterführt (§ 35 II S.1 1.Alt. InsO). In diesem Fall ist der Insolvenzverwalter der Geschäftsherr und der ehemalige Unternehmer derjenige, der für alles und jedes um Erlaubnis fragen muss. Der Ertrag der Arbeit fällt der Masse und damit den Gläubigern zu. Vorteil: der ehemalige Unternehmer ist für nichts mehr verantwortlich. Auch besteht immer die Gefahr, dass der Insolvenzverwalter den Betrieb schließt und verwertet. Um die Restschuldbefreiung zu erhalten, muss nachweislich aktiv ein Job als Angestellter gesucht werden. Vielleicht für manche aber auch ein Vorteil, dass sie den Laden endlich los sind.
Auffanggesellschaft
Ist der Kampfgeist noch nicht erloschen und die Geschäftsidee vielversprechend, spricht alles für die Gründung einer neuen Gesellschaft durch eine Vertrauensperson – idealerweise in Form einer haftungsbeschränkten UG (entspricht einer kleinen GmbH). Dort erhält der ehemalige Unternehmer (der auf dem freien Markt aufgrund der Insolvenz und der damit verbundenen Lohnpfändung vermutlich nur äußerst schwer eine Beschäftigung findet) einen Anstellungsvertrag und arbeitet zukünftig für dieses Unternehmen. Für den alten Betrieb bzw. die ehemalige selbständige Tätigkeit wird die Insolvenz beantragt.
- Die Abgaben an den Insolvenzverwalter richten sich nach dem pfändbaren Einkommen und dieses bleibt kalkulierbar
- Keine persönliche Haftung für neue Schulden des Betriebes
- Das Lebenswerk, der Betrieb ist gesichert
- Die unternehmerischen Entscheidungen werden noch immer vom Unternehmer selbst getroffen
Nachteil ist, dass für den Zeitraum des Insolvenz-/Restschuldbefreiungsverfahrens die Bindung an einen geschäftsführenden Gesellschafter besteht.
Dieser Schritt sollte generell nur mit erfahrener Begleitung erfolgen. Da nun alle Vorbereitungen getroffen wurden, ist der letzte Schritt nun die Insolvenzanmeldung. Hierzu sollten fachkundige Berater herangezogen werden, zumal viele kostenfreie Schuldnerberatungsstellen nicht über die hierbei erforderlichen betriebswirtschaftlichen bzw. kaufmännischen Kenntnisse verfügen.
Wenn es um Rechtsstreitigkeiten mit dem Insolvenzverwalter geht, werden Gerichtsprozesse bei den normalen Zivilgerichten geführt. Hier erfahren Sie, was solche Prozesse so besonders macht.