Insolvenzrechtsreform

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„Die Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz (EU-Richtlinie 2019/1023) schreibt vor, dass unternehmerisch tätige Personen Zugang zu einem Verfahren haben müssen, das ihnen ermöglicht, sich innerhalb von drei Jahren zu entschulden. Die Richtlinie ist bis zum 17. Juli 2021 in nationales Recht umzusetzen.

Mit dem (…) von der Bundesregierung beschlossenen Gesetzentwurf werden die Richtlinienvorgaben zur Restschuldbefreiung umgesetzt, wonach das Verfahren nur noch drei Jahre statt bisher im Regelfall sechs Jahre dauern soll. Die Regelungen sollen nicht nur, wie von der Richtlinie vorgesehen, für unternehmerisch tätige Schuldner gelten, sondern, wie von der Richtlinie empfohlen, auch für Verbraucherinnen und Verbraucher. (…) Allerdings müssen Schuldnerinnen und Schuldner auch weiterhin bestimmten Pflichten und Obliegenheiten nachkommen, um eine Restschuldbefreiung erlangen zu können, z.B. einer Erwerbstätigkeit nachgehen oder sich um eine solche bemühen. Darüber hinaus werden die Schuldnerinnen und Schuldner in der sog. Wohlverhaltensphase stärker zur Herausgabe von erlangtem Vermögen herangezogen. Außerdem wird ein neuer Grund zur Versagung der Restschuldbefreiung geschaffen, wenn in der Wohlverhaltensphase unangemessene Verbindlichkeiten begründet werden.“ (Quelle: Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz: PRESSEMITTEILUNG | 1. JULI 2020)

Die Neuerungen der Insolvenzordnung:

Verkürzung der Laufzeit auf drei Jahre (§ 287 Absatz 2)

Insolvenzverfahren, die nach dem 30.09.2020 bei Gericht beantragt wurden, unterliegen künftig einer automatisch ablaufenden Abtretungsfrist von drei Jahren, die mit der Eröffnung des Verfahrens beginnt. Sofern es keine Versagung gibt, gilt die Restschuldbefreiung dann auch bei Gläubigern, die ihre Forderungen nicht zur Insolvenztabelle angemeldet haben.

  • Die Deckung von Verfahrenskosten oder die Erfüllung von Mindestbefriedigungsquoten ist nicht erforderlich
  • Wie bisher gehört es zu den Obliegenheiten (z.B. angemessene Erwerbstätigkeit ausüben, bzw. sich um eine solche zu bemühen und keine zumutbare Tätigkeit abzulehnen, keine Gläubigerbevorteilung, Mitteilung von Arbeitsplatz- oder Wohnungswechsel und Vermögensverhältnisse gegenüber dem Treuhänder oder dem Insolvenzgericht anzeigen) des Schuldners, den Offenlegungs- und Mitwirkungspflichten nachzukommen
  • Bei Verbraucherinsolvenzverfahren, die bis zum 30.06.2021 beantragt werden, wird der erfolglose außergerichtliche Einigungsversuch (AEV) vor dem Insolvenzantrag der letzten 12 Monate anerkannt – ab dem 01.07.2021 gelten wieder wie bisher 6 Monate.

Achtung: wurde die Restschuldbefreiung nach dieser neuen Regelung bereits erteilt und wird eine erneute Insolvenz beantragt, beträgt die Abtretungsfrist der laufenden Bezüge aus einem Dienstverhältnis oder auf an deren Stelle tretenden laufenden Bezüge (aus beispielsweise selbstständiger Tätigkeit) fünf Jahre.

Sperrfrist nach Erteilung der Restschuldbefreiung (§ 287a Absatz 2 Satz 1 Nummer 1)

Für nach dem 30.09.2020 beantragte Insolvenzverfahren gilt eine Sperrfrist von 11 Jahren der erneuten Anmeldung zur Insolvenz, sofern eine Restschuldbefreiung erteilt wurde.

Resultiert die Restschuldbefreiung aus einem angemeldeten Verfahren vor dem 01.10.2020, gilt weiterhin die Sperrfrist von 10 Jahren. D.h.: Die Neuregelung gilt erst für Insolvenzverfahren, bei denen die Restschuldbefreiung ab dem 01.10.2023 erteilt wurde.

Bei Versagung der Restschuldbefreiung bleiben die Sperrfristen von 5 Jahren (bei Versagung wegen Verurteilung zu einer Insolvenzstraftat) und 3 Jahren (wegen Verletzung der Auskunfts- und Mitwirkungspflicht, falschen Angaben in Verzeichnissen oder wegen Verletzung der Erwerbsobliegenheit oder der sonstigen Obliegenheiten) unverändert.

Herausgabepflicht bei Erbschaft, Schenkungen und Gewinnen in der Wohlverhaltensphase (§ 295 Absatz 1 Nummer 2)

Während der Wohlverhaltensphase gehört es wie bisher zu den Obliegenheiten, die Hälfte des erhaltenen Vermögens, das von Todes wegen oder mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht erworben wird an den Treuhänder herauszugeben. Schenkungen fallen nun auch vollumfänglich unter diese Obliegenheiten. Gewinne in einer Lotterie, Ausspielung oder in einem anderen Spiel mit Gewinnmöglichkeit sind zum vollen Wert an den Treuhänder abzuführen.

Ausgenommen von der Herausgabepflicht sind gebräuchliche Gelegenheitsgeschenke und Gewinne von geringem Wert. Um die Restschuldbefreiung nicht zu gefährden kann der Schuldner im Zweifel einen Antrag beim Insolvenzgericht stellen, um eine Klärung zur Herausgabepflicht in diesen Fällen herbeizuführen.

Achtung: Es ist durchaus zulässig, eine Erbschaft auszuschlagen!

Begründung unangemessener Verbindlichkeiten (§ 290 Absatz 1 Nummer 4)

Es wird zwar keine gerichtliche Prüfung dieser Obliegenheit geben; dennoch ist eine Versagung der Restschuldbefreiung möglich, wenn der Schuldner neue Verbindlichkeiten aufbaut, die jenseits seiner Schuldentragfähigkeit liegen.

Selbstständige Tätigkeit des Schuldners

Der Insolvenzverwalter hat bei Aufnahme oder Fortführung einer selbstständigen Tätigkeit des Schuldners unverzüglich, spätestens einen Monat nach Ersuchen, diese freizugeben oder sich zu erklären. Der Schuldner muss diese Absicht ebenfalls unverzüglich erklären (§35).

Grundlage für die Abführung der Zahlungen an den Treuhänder ist das fiktive Nettoeinkommen eines gleichgestellten Dienstverhältnisses. Bei dem tatsächlich zu zahlenden, pfändbaren Einkommen sind erhöhte Pfändungsfreibeträge wie Unterhaltsverpflichtungen und weitere Mehrkosten aufgrund persönlicher Verhältnisse zu berücksichtigen. Der Schuldner kann für sich Rechtssicherheit herstellen, indem er einen entsprechenden Antrag an das Insolvenzgericht stellt und dieses daraufhin die Zahlung festsetzt. Die Beträge sind kalenderjährlich bis zum 31. Januar des Folgejahres vollständig zu entrichten.

Entscheidung über die Restschuldbefreiung (§300)

Konnten die Insolvenzforderungen und die Kosten des Verfahrens beglichen werden, oder wurden keine Forderungen zum Insolvenzverfahren angemeldet, kann der Schuldner beim Gericht schon vor Ablauf der Laufzeit von 3 Jahren die Restschuldbefreiung beantragen und muss diese Voraussetzungen glaubhaft versichern.

Nach dem regulären Ablauf der Abtretungsfrist entscheidet das Insolvenzgericht (anderslautende Aussagen von Insolvenzverwalter dienen lediglich dazu, den Schuldner zu verunsichern und möglichst noch Geld aus dem pfändungsfreien Einkommen zur Masse zu ziehen) über die Erteilung oder die Versagung der Restschuldbefreiung. Erst nach Anhörung des Schuldners, der Insolvenzgläubiger, -verwalter oder Treuhänder ergeht der Beschluss (wird öffentlich bekannt gemacht).

Außer Kraft mit Ablauf der Abtretungsfrist treten insolvenzbedingte Verbote gewerblicher, geschäftlicher, handwerklicher oder freiberuflicher Tätigkeiten. Dies gilt nicht für die Versagung und die Aufhebung einer Zulassung zu einer erlaubnispflichtigen Tätigkeit. Hierfür ist eine erneute Genehmigung erforderlich.

Die Restschuldbefreiung entfällt bei:

  • Begründung unangemessener Verbindlichkeiten – s.o.
  • Verbindlichkeiten aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung (deliktische Schulden) wie nicht gezahlte Sozialversicherungsbeiträge oder Bankrott. Hat allerdings der Gläubiger die Forderung nicht unter Angabe des Rechtsgrundes bis spätestens zum Schlusstermin zur Tabelle angemeldet, fallen diese unter die Restschuldbefreiung (BGH, Ur­teil vom 19.12.2019 – IX ZR 53/18)
  • Schulden aus rückständigem, vorsätzlich pflichtwidrigem nicht geleistetem gesetzlichem Unterhalt
  • Steuerstraftaten
  • Geldstrafen, Bußgelder, Ordnungsgelder, Zwangsgelder (Achtung: Ersatzfreiheitsstrafe bei Nichtzahlung)

Ganz neu für Selbstständige

Nach dem neuen StaRUG, dort § 30 Abs.1 S 2 können auch gewerblich tätige natürliche Personen die neuen Instrumente des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens nutzen: Damit steht ein umfangreicher Baukasten mit neuen Werkzeugen zur schnellen und gezielten Sanierung zur Verfügung. Jetzt können Unternehmen und Selbstständige saniert werden, bevor die Insolvenz eintritt. 

StaRUG generell

Das StaRuG stellt inbesondere folgende Instrumente zur Verfügung:

  1. Mögliche Bestellung eines Restrukturierungsbeauftragten sowie eines Gläubigerbeirats
  2. Keine Insolvenzanfechtung für Planvollzugsmaßnahmen
  3. Einbeziehung gerichtlicher Entscheidungen bei Widerstand von Minderheiten
  4. Es werden alle Gläubiger einbezogen und nicht nur Finanzgläubiger
  5. Gruppenbildung bei den Gläubigern – die Mehrheitserfordernisse werden angepasst
  6. Möglichkeit, laufende Verträge partiell anzupassen
  7. Stabilisierungsanordnung durch das Gericht (Vollstreckungs- und Verwertungssperre)
  8. Geltung für frühe Krisenstadien

…also muss es vielleicht überhaupt keine Insolvenz sein…

Weitere Informationen finden Sie hier: https://www.privatinsolvenz.net/selbststaendig/

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