Nach § 35 der Insolvenzordnung (InsO) gehört das gesamte Vermögen des Schuldners zur Insolvenzmasse. Im Insolvenzverfahren stellt sich die Frage, welche Forderungen des Arbeitnehmers durch den Insolvenzverwalter bzw. Treuhänder zugunsten der Masse geltend zu machen sind.
Leistungen aus der betrieblichen Altersvorsorge (BAV) und die Anwartschaften hierauf sind grundsätzlich pfändbar. Bei Erreichen des Versicherungsfalls (die sog. Pfandreife) mit dem Rentenbeginn kommt es jedoch zu keiner Pfändung bzw. Verhaftung in der Insolvenzmasse, wenn zu diesem Zeitpunkt die Insolvenz nicht mehr besteht, zumal üblicherweise einmalige Leistungen oder eine rentenähnliche Bezugsberechtigung vereinbart wurde (BGH, Beschluss vom 5. Dezember 2013–IX ZR 165/13,ZInsO 2014,31) . Außer der Beitragsfreistellung ist eine vorzeitige Kündigung (auch Sonderkündigungsrecht) durch die fest vereinbarte Vertragslaufzeit nicht möglich.
Bedingt durch das Dreiecksverhältnis Arbeitgeber-Versicherung-Arbeitnehmer unterscheidet sich die Direktversicherung (auch Riester) erheblich von anderen Lebensversicherungen. Mit Eröffnung des Verfahrens tritt gemäß § 80 InsO der Insolvenzverwalter/Treuhänder in die Rechtsposition des Schuldners ein und erhält die Verfügungsbefugnis. Dies berechtigt ihn dem Grunde nach auch, Versicherungsverträge zu kündigen, um den Erlös zur Masse zu ziehen. Der Schuldner ist hier durch das Dreiecksverhältnis jedoch nicht Vertragspartei. Damit bestehen hier schon dem Grunde nach keine Rechte, die im Insolvenzverfahren in seinem Namen ausgeübt werden können.
Kommt es zur Auszahlung und die Leistung erfolgt als Einmalzahlung liegt Pfändbarkeit vor. Bei Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Unternehmen kann die Versicherung auf ihn unter Berücksichtigung des § 1b des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (BetrAVG) übertragen werden. Die bestehende Anwartschaft auf die Leistungen ist gemäß § 851 der Zivilprozessordnung (ZPO) nicht mehr pfändbar, da er sie nicht abtreten bzw. beleihen kann. In der Ansparphase kann daher nach dem BGH, Beschluss vom 11. November 2010, Az. VII ZB 87/09 eine Pfändung erfolgen. Wird die Leistung als Rentenzahlung erbracht, können die monatlichen Bezüge nach § 851i ZPO wie Arbeitseinkommen unter Beachtung der Pfändungsfreigrenzen gepfändet werden.
Achtung: Bei Beginn und während des Laufs eines Insolvenzverfahrens kann eine BAV nicht neu wegen Schmälerung des zur Verfügung stehenden Einkommens gegenüber den Gläubigern abgeschlossen werden. Handelt es sich um eine ausschließlich vom AG finanzierte AV, kann diese selbst während der laufenden Insolvenz neu begründet werden.
Vor der Insolvenz:
Im Vorfeld der Insolvenz können bestehende Versicherungen abgesichert werden, sodass der Insolvenzverwalter diese nicht zur Masse ziehen kann. Hierzu sollten bestehende Versicherungen überprüft und, falls ERFORDERLICH, UMGEWANDELT werden damit diese den besonderen Anforderungen des ZPO § 851 entsprechen. Auch können neue Konzepte zur Altersvorsorge erarbeitet werden, die insolvenzsicher sind.
VVG§ 167 Umwandlung zur Erlangung eines Pfändungsschutzes: Der Versicherungsnehmer einer Lebensversicherung kann jederzeit für den Schluss der laufenden Versicherungsperiode die Umwandlung der Versicherung in eine Versicherung verlangen, die den Anforderungen des § 851c Abs. 1 der Zivilprozessordnung entspricht. Die Kosten der Umwandlung hat der Versicherungsnehmer zu tragen.
Ein Privatversicherter soll nicht anders oder bessergestellt werden als ein Angestellter, dessen Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung wie Arbeitseinkommen gepfändet werden kann. Deshalb ist der angesparte Betrag nur in dem Umfang geschützt, in dem er für eine später zu leistende Rente in der Höhe, die dem pfändungsfreien Betrag entspricht, notwendig ist.
Diesen Betrag hat der Gesetzgeber in § 851c Abs. 2 ZPO pauschaliert:
Zurzeit darf der Schuldner:
- vom 18. bis zum vollendeten 27. Lebensjahr 6.000 Euro
- vom 28. bis zum vollendeten 67. Lebensjahr 7.000 Euro
jährlich in seinem “Topf” bei dem Versicherer ansammeln. Der Gesamtbetrag darf 340.000,- nicht übersteigen.
Unpfändbar sind Ansprüche aus Lebensversicherungen, die nur auf den Todesfall des Versicherungsnehmers abgeschlossen sind (z.B. Sterbegeldversicherung), wenn die Versicherungssumme 3.579 Euro nicht übersteigt (§ 850b Absatz 1 Nummer 4 Zivilprozessordnung). Übersteigt die Versicherungssumme diesen Betrag, sind 3.579 Euro unpfändbar; nur der überschießende Betrag ist nach Ansicht des Bundesgerichtshofs pfändbar. Er erteilt damit der Meinung eine Absage, dass bei Überschreitung der Versicherungssumme die Ansprüche aus der Versicherung insgesamt pfändbar seien. (Beschluss vom 12.12.2007, Az: VII ZB 47/07)
Sollte der Insolvenzverwalter daher eine solche Sterbegeldversicherung gekündigt haben empfiehlt es sich, zum Insolvenzverwalter zu gehen und ihm mitzuteilen, dass sein Vorgehen (s.o.) nicht zulässig war und er Sie so zu stellen habe, wie Sie denn stehen würden, hätte er die Pfändung und damit die Auflösung des Versicherungsvertrages nicht vorgenommen.
Insolvenzverwalter „kassiert“ Lebensversicherung – BGH vom 24.03.2016 – Az. IX ZR 159/15
Ein Geschäftsmann schloss kurz vor seinem Suizid eine Risikolebensversicherung ab, wobei er seine Ehefrau als Bezugsberechtigte bestimmte. In einem Abschiedsbrief gab er seine Überschuldung als Grund für seinen Freitod an. Nachdem die Versicherung 70 Prozent der Versicherungssumme an die Witwe ausgezahlt hatte, erklärte der im Rahmen des laufenden Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Verstorbenen eingesetzte Insolvenzverwalter die Anfechtung der Auszahlung der Versicherungssumme an die Witwe.
Diese hatte spätestens seit dem Abschiedsbrief ihres verstorbenen Mannes Kenntnis von dessen Überschuldung. Da sie die Versicherungsleistung ohne Gegenleistung erhielt, war sie nach § 143 Abs. 2 InsO (Insolvenzordnung) verpflichtet, die unentgeltliche Leistung herauszugeben. Sie war nach Auffassung des Bundesgerichtshofs auch nicht berechtigt, von der an den Insolvenzverwalter herauszugebenden Versicherungsleistung ihre Aufwendungen für Beerdigungs- und Grabsteinkosten in Abzug zu bringen.
Urteil des BGH vom 24.03.2016 Aktenzeichen: IX ZR 159/15 DB 2016, 1253
Solange der AN noch kein unwiderrufliches Bezugsrecht hat, ist die Versicherung ein Vermögenswert des AG und fällt in die Masse. Sobald das unwiderrufliche Bezugsrecht wirksam vereinbart ist, ist die Versicherung Vermögenswert des AN und fällt nicht in die Masse des AG. Hier ist die Schuldnerin vergleichbar mit AG und das Kind mit AN. Fraglich ist, ob ein unwiderrufliches Bezugsrecht kurz vor der Insolvenzeröffnung noch vereinbart werden kann, das könnte anfechtbar sein, nach Eröffnung geht das ohnehin nicht mehr. Es sollte mit Vertragsschluss vereinbart werden, wenn der Schuldner verstirbt würde bei unwiderruflichem Bezugsrecht die Versicherungssumme an das Kind gehen.
Private Altersvorsorge ab 2018 im SGB XII in Höhe von mind. 100 € bis max. 208 EUR mtl. privilegiert Im SGB XII wird zum 1.1.2018 ein neuer Anrechnungsfreibetrag für Betriebs-, Riester- und Basisrenten sowie sonstige private Renten eingeführt. Der Freibetrag soll auch für den Teil der gesetzlichen Rente gelten, der auf freiwilligen Beiträgen beruht. Es sollen monatlich Beträge bis maximal zur Höhe des halben Regelbedarfs – derzeit also bis zu 208 € – anrechnungsfrei gestellt werden. Die Höhe des Freibetrags wird in zwei Schritten ermittelt: Zunächst gilt ein „Grundfreibetrag“ von 100 € als anrechnungsfrei, aus den übersteigenden Einkünften sind weitere 30 % anrechnungsfrei. Gedeckelt von 50 % des Regelsatzes, derzeit dann 208 €. Diese Regelungen wurden im sog. Betriebsrenten-Stärkungsgesetz beschlossen, materiell wurde der § 82 Abs. 4 und 5 SGB XII geändert. Gesetzesblatt (2017 Teil I Nr. 58): https://tinyurl.com/y9hnlscp (Seite: 4 ff.) Konsolidierte Darstellung von aba: https://tinyurl.com/yd4dk5gx (Seite 17 ff.) In der Vergangenheit konnte Menschen, die später in Altersarmut und aufstockenden Grundsicherungsbezug kommen werden, nur gesagt werden, dass private Altersvorsorge gar keinen Sinn mache, weil vom Grundsicherungsamt alles angerechnet wird. Das ist jetzt durch die Gesetzesänderung anders und sollte auch zu einer anderen Beratungsstrategie führen. (Quelle: Newsletter Tacheles) |
BGH: Zum Schutz von Altersvorsorgevermögen aus Riester-Verträgen
Wenn und soweit das in einem Altersvorsorgevertrag im Sinne der §§ 1, 5 Alt-ZertG angesparte Kapital aus gefördertem Altersvorsorgevermögen, geförderten laufenden Altersvorsorgebeiträgen oder gezahlten Zulagen stammt, ist es auch dann unpfändbar, wenn der Schuldner berechtigt ist, den Altersvorsorgevertrag jederzeit zu kündigen. (Leitsatz a)
Die Unpfändbarkeit des angesparten Kapitals eines Altersvorsorgevertrags tritt nur ein, soweit der Altersvorsorgevertrag im Zeitpunkt der Pfändung förderfähig war, ein Antrag auf eine Zulage (§ 89 EStG) für die entsprechenden Beitragsjahre (§ 88 EStG) bereits gestellt war und die Voraussetzungen für eine Zulage (§§ 83 ff EStG) vorlagen o- der eine Zulage bereits gewährt worden war. (Leitsatz b)
In der nun veröffentlichten Urteilsbegründung zeigt der BGH, dass die Voraussetzungen aus § 851c ZPO für den Pfändungsschutz von sogenannten Riester-Verträgen nicht zusätzlich vorliegen müssen (Rn. 12-18 und Leitsatz a). Allerdings besteht nach Meinung des BGH Pfändungsschutz für das angesparte Kapital bei einem Altersvorsorgevertrag gemäß § 851 Abs. 1 ZPO, § 97 EStG nur unter den in Leitsatz b) genannten Bedingungen (ausgeführt unter Rn. 20ff).
BGH, Versäumnisurteil vom 16.11.2017 – IX ZR 21/17 Pressemitteilung des BGH vom 16.11.2017